Austausch statt Isolation!

Bundesasylzentrum Zürich
Wertvolle Einblicke durch externe Evaluation

Das Bundesasylzentrum Duttweiler in Zürich geriet kurz nach der Eröffnung Ende 2020 und dann erneut im Sommer 2021 stark in die Kritik. Der Verwaltungsrat der AOZ hat darauf eine externe Evaluation in Auftrag gegeben. Das sind die Ergebnisse.

Das Bundesasylzentrum Duttweiler in Zürich geriet kurz nach der Eröffnung Ende 2020 und dann erneut im Sommer 2021 stark in die Kritik (siehe hier).  Der Verwaltungsrat der AOZ hat darauf bei der Res Publica Consulting AG eine externe Evaluation in Auftrag gegeben. Im Mai 2022 wurde der «Bericht zur Auftragswahrnehmung der Asylorganisation Zürich (AOZ) im Bundesasylzentrum Zürich» veröffentlicht. Im Rahmen der Recherchen zum Bericht wurden 21 Gespräche mit verschiedenen Akteur*innen und eine Online-Umfrage beim Betreuungspersonal durchgeführt (Oktober 2021-Februar 2022). Das knapp 60-seitige Dokument gibt vertiefte und differenzierte Einblicke in verschiedene Problematiken rund um die Unterkunft für Asylsuchende in Zürich.

Im Jahr 2015 eröffneten Testbetrieb Juch war die AOZ unter der Federführung der Stadt Zürich für die Betreuung verantwortlich.  Der Arbeitsalltag gestaltete sich auf dem Juch-Areal viel offener als anschliessend im Bundesasylzentrum Duttweiler unter der Schirmherrschaft des Staatssekretariats für Migration SEM. Laut Bericht stellte der Wechsel zu den Regelwerken des Bundes (EJPD-Verordnung und Betriebskonzept Unterbringung BEKO) für viele Mitarbeitende einen ‘Kulturschock’ dar. Das Personal war überlastet und diverse Wechsel beim Führungspersonal kamen erschwerend hinzu. Es fehlte ein gezieltes ‘Change-Management’. Diese Begebenheiten haben laut Bericht wesentlich dazu beigetragen, dass sich (ehemalige) Mitarbeitende an die Medien wandten, um auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen. Im Gegensatz zu den öffentlich wahrgenommenen kritischen Meinungen haben sich im Rahmen des Berichts einige Mitarbeitende auch dahingehend geäussert, dass sie den Wechsel befürworteten und sich unter dem ‘neuen Regime’ nun sicherer fühlen bei der Arbeit. Diese unterschiedlichen Haltungen und Wahrnehmungen der Mitarbeitenden haben laut Evaluation zusätzlich für Spannungen im Team gesorgt.

Der Bericht geht auf die Situation in Zürich ein, erörtert aber diverse Problemfelder, welche auch in anderen Bundesasylzentren beobachtet werden.

 

Knappe Personalressourcen

«In praktisch allen Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden wurde auf die zu knappen Personalressourcen hingewiesen» (S. 36).

Was aus verschiedenen Kreisen immer wieder kritisiert wird, findet im Bericht Bestätigung: der vom SEM festgesetzte Betreuungsschlüssel –  im Schnitt 1 Person pro 50 Asylsuchenden – ist zu knapp. Für die Qualität der Betreuung sei die «gute Auswahl, Ausbildung und Führung der Mitarbeitenden essenziell» (S. 24), die Personalressourcen aber absolut zentral.

Das SEM wälzt die Problematik der ‘Schwankungstauglichkeit’ (ständig wechselnde Asylgesuchzahlen) auf die Leistungserbringenden Betreuung (AOZ und ORS) ab. Den Betreuungsorganisationen wird in der Regel drei Monate im Voraus mitgeteilt, ob die Belegung tief, mittel oder hoch sein wird. Je nachdem soll der Personalbestand dann 70, 85 oder 100 Prozent betragen. Der springende Punkt: das SEM legt sowohl den Betreuungsschlüssel als auch die Belegungsstufe fest, kann den Unterkünften aber bei Bedarf trotzdem mehr Asylsuchende zuweisen. Wird der ohnehin knappe Betreuungsschlüssel durch hohe Zuweisungen überschritten, bleiben der Betreuungsorganisation faktisch zwei Möglichkeiten:

«Entweder behält sie den Personalbestand bei und macht nicht nur Abstriche bei der Betreuung der Gesuchstellenden, sondern riskiert auch eine hohe Belastung der Mitarbeitenden mit Stress, Konflikten oder Kündigungen und verstösst dadurch gegen ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin. Oder aber sie hebt im Sinne einer Vorleistung den Betreuungsschlüssel auf eigene Kosten und eigenes Risiko an. Beide Szenarien sind dabei für die Auftragnehmenden unbefriedigend» (S. 21).

Die Einhaltung der festgelegten Mindeststandards in der Betreuung von Asylsuchenden darf nicht länger ein ‘unternehmerisches Risiko’ darstellen! Die ZiAB unterstützt die Empfehlung des Berichts, die Rahmenverträge zwischen SEM und Betreuungsorganisationen anzupassen. Bei höheren Zuweisungen in eine Unterkunft sollen die Betreuungsorganisationen zusätzliches Personal mit der Gewissheit rekrutieren können, dass die daraus entstehenden Zusatzkosten vom Bund übernommen werden.

 

Mangelnde Begleitung der Betreuungsteams

Die Betreuungsteams in Bundesasylzentren sind in der Regel sehr divers zusammengesetzt, was vom SEM und den Betreiberorganisationen in der Öffentlichkeit regelmässig als Stärke betont wird. Es ist eine Stärke – birgt aber auch Herausforderungen.

«Die Leitung eines BAZ sowie eine Teamleitung innerhalb eines BAZ stellt für eine Führungsperson eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Ein grosser Teil der Mitarbeitenden weist einen Migrationshintergrund auf, wodurch Teams von Mitarbeitenden mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Sprachen und Ausbildungen geführt werden müssen. Was für den Kontakt mit den Gesuchstellenden von Vorteil ist, kann in der Zusammenarbeit zu Missverständnissen führen» (S. 35).

Die ZiAB sieht die grössten Herausforderungen bei der Betreuung in Bundesasylzentren klar in den schlechten Arbeitsbedingungen generell und den knappen Personalressourcen.  Nichtsdestotrotz muss den spezifischen Herausforderungen der Arbeit in diversen Teams zusätzlich Rechnung getragen werden. Die ZiAB unterstützt die Empfehlung des Berichts, die Führungskompetenzen der Leitungspersonen zusätzlich zu stärken. Zudem begrüsst sie ausdrücklich die Empfehlung, beim SEM darauf hinzuwirken, dass bei der nächsten Vergabe der Betreuungsmandate (geplant für 2024) qualitative Kriterien (u.a. Betreuungs- und Beschäftigungsprogramm, Konzept Schulung und Weiterbildung) im Vergleich zu den wirtschaftlichen Kriterien (u.a. Preis, Schwankungstauglichkeit) stärker gewichtet werden.

 

Gebäude – fehlender Einbezug von Fachpersonen

Versprochen wurde der Zürcher Stimmbevölkerung ein Bundesasylzentrum mit ‘Dorfcharakter’ – erstellt wurde ein Gebäude mit ‘Gefängnischarakter’ inkl. verschiedener technischer und praktischer Mängel.

«Beim Bau lag der Fokus (…) offensichtlich zu wenig auf den Nutzerinnen und Nutzern des Gebäudes, den Mitarbeitenden und den Gesuchstellenden, und es floss nicht genügend spezifisches Know-how aus dem Betrieb eines Asylzentrums in die Planung ein» (S. 32).

Zürich ist damit leider kein Einzelfall. Der ZiAB sind weitere Bundesasylzentren bekannt, bei deren Planung und/oder beim (Um-)Bau entscheidende Fachpersonen nicht einbezogen wurden (u.a. Mitarbeitende Betreuung und Sicherheit, Pflegefachpersonen, SEM-Mitarbeitende, Seelsorgende, Lehrpersonen, Expert*innen für Kleinkinder, Personen aus dem Rechtsschutz, engagierte Zivilgesellschaft). Dies verursachte verschiedene Probleme und teilweise Frustration bei den Mitarbeitenden und Bewohner*innen. So wurden beispielsweise in mehreren Unterkünften die Schlafräume nicht mit Steckdosen ausgestattet – in Zeiten des Mobiltelefons eine verheerende Fehlplanung.

In Zürich ist es laut Bericht seit der Inbetriebnahme zu verschiedenen kleineren Verbesserungen gekommen. Trotzdem wird dem Verwaltungsrat der AOZ empfohlen, bei der Stadt Zürich «die Finanzierung grundlegender Anpassungen insbesondere der Sozialraumgestaltung einzufordern» (S. 33). Die ZiAB begrüsst sehr, dass im Bundesasylzentrum Zürich nachträglich eine Produktionsküche eingebaut wird. Die Bewohner*innen können so bei der Zubereitung ihrer Mahlzeiten künftig verstärkt mitwirken. Nachträgliche Veränderungen an den Bauten bedeuten aber immer Zusatzkosten und Unannehmlichkeiten. Bei allfälligen neuen Bundesasylzentren müssen deshalb von Beginn weg eine Produktionsküche eingeplant und Fachpersonen verschiedener Gebiete aktiv in den Planungsprozess einbezogen werden.

 

Der Bericht zuhanden der AOZ enthält die oben erwähnten und verschiedene weitere zentrale Empfehlungen für dringliche Verbesserungen in den Bundesasylzentren. Er bietet differenziert Einblicke und bildet eine wertvolle Ergänzung zum Bericht Oberholzer und dem Internen Audit vom Herbst 2021 (kritische Einschätzung der ZiAB hier).

Die ZiAB wird auch künftig in den Gesprächen mit dem SEM darauf hinarbeiten, dass Empfehlungen, welche die Lebensbedingungen der Bewohner*innen in Bundesasylzentren verbessern, umgesetzt werden.