Austausch statt Isolation!

Europäischer Ausschuss blickt kritisch auf Boudry

Im März 2021 besuchte eine Delegation des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) verschiedene Einrichtungen in der Schweiz - unter anderem das Bundesasylzentrum Boudry.

In ihrem Bericht (auf Französisch) hält die Delegation fest, dass die Kooperation mit den Behörden überall einwandfrei gewesen sei, mit einer Ausnahme – dem Bundesasylzentrum Boudry. Dort sei der Delegation zuerst der Eintritt zur Unterkunft verweigert worden, und dann habe es an Kooperationsbereitschaft seitens der Mitarbeitenden von Protectas (Sicherheitsdienstleiterin) gemangelt.
Die Delegation machte damit eine Erfahrung, welche auch diverse Freiwillige kennen: Es kann unter Umständen wesentlich einfacher sein, Zutritt zu einem Gefängnis zu erhalten, als in ein Bundesasylzentrum hineingelassen zu werden.

In seinem Bericht weist der CPT auf diverse Missstände und Mängel im Bundesasylzentrum Boudry hin. Er fordert u.a. eine Stellungnahme zu den Gewaltvorfällen und zur Überschreitung der maximalen Aufenthaltsdauer von 140 Tagen. Auch bemängelt der Bericht, dass die Asylsuchenden unzureichend über die Möglichkeit, eine Beschwerde zu deponieren, informiert seien. Weiter wird auf die ungenügende Ausbildung und Sensibilisierung des Personals – vor allem im Bereich Sicherheit – hingewiesen. Das Pflegefachpersonal sei überlastet und es fehle an Supervision und an spezifischen Ausbildungsangeboten. Der Bericht rügt zudem, dass situativ Asylsuchende bei medizinischen Angelegenheiten als Übersetzer*innen beigezogen würden. Diese Praxis stelle eine Verletzung des Arztgeheimnisses dar.

In der dreisprachig veröffentlichten Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht vom Mai 2022 werden alle Antworten zum Bundesasylzentrum Boudry unter dem Titel «Personen, die ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen unterliegen» gegeben. Dies ist insofern interessant, da das einschränkende Regime in Bundesasylzentren von offizieller Seite kaum je als Zwangsmassnahme bezeichnet wird. Leider bleibt die Stellungnahme über weite Strecken sehr oberflächlich. Es scheint die Grundannahme vorzuliegen, dass die Vorgaben betreffend Bundesasylzentren, wie sie in verschiedenen Richtlinien und Verordnungen festgehalten sind, in der Realität auch so umgesetzt werden – ein häufig zu beobachtender Trugschluss. Zur Veranschaulichung ein Auszug aus der Stellungnahme in Bezug auf die Kritik des CPT auf das mangelnde Wissen der Asylsuchenden betreffend Beschwerdemöglichkeiten:

«Dem SEM zufolge besteht in allen BAZ ein internes Beschwerdemanagement, welches verschiedene Elemente umfasst. Hierzu zählen die regelmässige Sprechstunde des SEM, eine für die Asylsuchende frei zugängliche Feedback-Box, ein vertrauliches Meldesystem bei Verdacht auf Gewaltvorfälle und die Beschwerdemöglichkeit bei Disziplinarmassnahmen… Die Asylsuchenden werden in allen BAZ, wie auch im BAZ Boudry, über die verschiedenen Beschwerdemöglichkeiten mittels Informationsveranstaltungen und Informationsboards in Kenntnis gesetzt» (S. 89).

Die Stellungnahme verweist aber auch auf anstehende Veränderungen, so beispielsweise die Schaffung einer externen Meldestelle für Asylsuchende und Mitarbeitende sowie eine genauere inhaltliche Überprüfung der Weiterbildungen. Hier ist es wichtig, dass zivilgesellschaftliche Akteur*innen in den kommenden Monaten kontinuierlich beobachten, ob und wie die angekündigten Verbesserungen umgesetzt werden. Weiterhin beobachtet werden muss auch der Einsatz der sogenannten ‘Sicherheitsräume’ (früher ‘Besinnungsräume’), welcher vom CPT ebenfalls bemängelt wurde. In seiner Stellungnahme betont der Bundesrat mehrfach, dass die Sicherheitsräume nicht zur Disziplinierung eingesetzt würden: «Die Verlegung in einen Sicherheitsraum hat keinen Sanktionscharakter, sondern dient dem Schutz der Asylsuchenden und der Mitarbeitenden des BAZ, wenn eine Person eine Gefahr für die eigene körperliche Integrität oder diejenige anderer darstellt» (S. 87).